Exotische Nischen, riskante Swaps und dummes Beta 

Von Jürgen Lutz – IFRAS

Die Palette der ETF wächst in rasantem Tempo. Doch neben vielen sinnvollen Produkten gibt es inzwischen einige seltsame Blüten, vor denen man das Depot schützen sollte. Der Grund: Solche oft teuren ETF bieten nicht nur keinen Mehrwert. Sie können Anlegern sogar schaden.

In der ETF-Branche sind die Marketing-Abteilungen ebenso erfinderisch wie bei den aktiv verwalteten Fonds: 1.700 Indexfonds zählt die deutschsprachige Plattform www.justetf.com derzeit. In den tonangebenden USA sind es sogar 2.500 Produkte, wie dem Portal etfdb.com zu entnehmen ist. Das Problem: Weil auf diesen Produkten das ETF-Label prangt, glauben weniger erfahrene Anleger, dass sie ohne weitere Prüfung zugreifen können. Das aber kann sie teuer zu stehen kommen.

Nischen-ETF: Risikoreich und teuer

Ganz vorne rangieren solche ETF, die sich auf sehr kleine Nischen konzentrieren. Dazu zählen etwa Cloud Computing, Cannabis, Solarenergie oder Blockchain. Nicht selten haben die zehn wichtigsten Aktien in diesen Fonds ein Gewicht von 50 Prozent und mehr.  Dabei hilft Nischen-Anbietern wie der britischen hanetf ein für sie erfreulicher Nebeneffekt: Für die sehr spezialisierten Indizes lässt sich wegen der geringen Konkurrenz eine Jahresgebühr nehmen, die weit über den günstigen 0,2 Prozent etwa für den MSCI World-Index liegt. Nicht selten werden zwischen 0,6 und 1 Prozent aufgerufen, manchmal sogar noch mehr. Am oberen Ende des Gebührenspektrums zahlen Anleger somit gut die Hälfte der Kosten eines aktiv verwalteten Fonds.

Smart Beta: Doch dümmer als gedacht?

Viel Geld fließt seit einiger Zeit in einen zweiten Trend mit durchwachsenen Aussichten auf Erfolg: Smart Beta. Das ist das Verkaufs-Label für einen großen Feldversuch mit dem Geld der Anleger. Ziel ist es, bestimmte Faktoren wie Dividenden oder geringe Schwankungen (Low Volatility) auszunutzen, um damit eine Rendite oberhalb der Marktrendite zu erzielen. Doch der Blick auf die Vergangenheit zeigt, dass der Schuss durchaus nach hinten los gehen kann. So laufen manche Faktor-Indexfonds wie Value seit Jahren schlechter als der breite Markt: Der repräsentative iShares World Value Factor ETF hat seit Herbst 2016 per anno eine Rendite von 8,42 Prozent erzielt – im Vergleich zu 15,1 Prozent beim MSCI World-ETF aus demselben Haus. Noch ärger kam es in den vergangenen drei Jahren: Der Value-ETF schaffte 4,73 Prozent pro Jahr, der Fonds auf den MSCI World aber 15,29 Prozent.

Auch andere Faktor-ETF enttäuschen

Auch bei etlichen anderen Faktor-ETF wurden Anleger enttäuscht: So brachten Dividenden- sowie Low-Volatility-ETF in den letzten drei und fünf Jahren jeweils nur gut die Hälfte dessen, was der breite Markt erzielte (siehe Tabelle unten). Einzige Ausnahme sind ETF auf den MSCI World Momentum-Index, die pro Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte besser abschnitten. Der Momentum-Effekt, auf dem auch einige IFRAS-Strategien basieren, ist der einzige Faktor, der nach den Erkenntnissen der Finanzwissenschaft seit Jahrzehnten höhere Renditen wahrscheinlich macht. Doch kommt es darauf an, wie das Momentum für eine Anlagestrategie definiert wird.

Swap: Wie US-Aktien zu japanischen Anleihen werden

Bleibt ein dritter Verdächtiger: die sogenannten Swap-basierten ETF. In diesen Swap-ETF liegen in der Regel überhaupt nicht die Papiere im Fonds, die der Anleger zu kaufen glaubt. Statt US-Aktien erwirbt er dann womöglich japanische Staatsanleihen. Möglich wird das Ganze, weil der ETF-Anbieter mit einer anderen Partei einen Vertrag, einen Swap, schließt. Dieser Kontrahent, meist eine Bank, ist demnach verpflichtet, die Indexentwicklung zu garantieren.

Diese synthetischen ETF haben niedrigere Kosten und weichen oft noch weniger vom Index ab als die physisch replizierenden Kollegen. Dennoch sind sie keineswegs „ohne“: Geht der Vertragspartner des ETF-Anbieters pleite, ist auch das Lieferversprechen dahin. In diesem Fall soll das Kontrahenten-Risiko gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf zehn Prozent des Fondswertes begrenzt sein. Doch warum sollten Anleger ein solches Risiko eingehen, wenn sie nicht oder kaum dafür entlohnt werden?

Mehr als 300 ETF basieren auf Swaps

Dass sie das Risiko dennoch eingehen, zeigt ein Blick auf den Markt. Bei www.justetf.com werden derzeit gut 300 Swap-ETF gelistet, das entspricht knapp 20 Prozent der Produkte. Unter ihnen finden sich milliardenschwere ETF wie der Amundi MSCI Europe mit 2,6 Milliarden Euro oder ein Lyxor-ETF auf den Nasdaq 100 mit 1,2 Milliarden Euro. Da es sich bei Europa und den USA nicht um Exoten-Märkte handelt, verzichten diese Anbieter ohne Not auf die physische Replikation – vermutlich um sich durch geringere Kosten eine bessere Position im Wettbewerb zu verschaffen. Für das Verhalten der Anleger indes kann die Erklärung nur sein: Entweder kennen sie die Hintergründe nicht – oder sie sind ihnen egal.

Urheberrecht: IFRAS/Jürgen Lutz

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